Pe Lang Do. 6.6. - 20.7.13 

Gravitation, Magnetismus, Mechanik. Wenn in einer Runde gelegentlich das Wort 'Physik' fällt, verziehen sich die Gesichter. Mit Grausen erinnern sich viele an ihre Schulzeit. 
Aber: Halt!

Wir sind ja zum Glück in der Kunst.

 

Dem Schweizer Künstler Pe Lang aus Sursee ist ein fabelhafter Coup gelungen. Seine Arbeiten greifen physikalische Phänomene auf. Bewegung und Chaos, Raum und Zeit. Präzision, Reibung, Klang. Auf unerhört ästhetische Weise sind seine Objekte so konstruiert, dass es ein pures Vergnügen ist, sich ihnen, staunend wir Kinder, zu nähern. So der Kurator Marc Wellmann.

Ein kontemplativer Genuss.

 

Berückende Eleganz, konstruktive Optimierung, Reduktion und Funktionalität. Die minimalistischen Objekte von Pe Lang werden inzwischen weltweit gezeigt und befinden sich in führenden Sammlungen und Museen.

 

Wir freuen uns auf Ihre Neugier!

Text von Marc Wellmann

www.marcwellmann.de

 Pe Langs kinetische Objekte gehorchen einer stringenten konstruktiven Optimierung, bei der jedes Element im Hinblick auf seine Funktionalität entschlüsselt werden kann. Nichts erscheint an ihnen ornamental oder willkürlich. Ihre Syntax ist beherrscht von Präzision und Kontrolle als Rahmen für eine ausgefeilte Aleatorik, in der Ordnung und Chaos in ein fragiles Gleichgewicht gebracht wurden. Dies geschieht in einem hochgradig ästhetisierten Zusammenhang, bei dem jedes Detail eine formale Bedeutung besitzt. 

 

Die Bewegungen von Pe Langs Objekten sind visuelle Ereignisse, die gleich einem Zaubertrick ein illusionistisches Moment in sich tragen, das im zweiten Schritt Fragen nach den Wirkungsprinzipien evoziert. Pe Lang verheimlicht nichts, dennoch verblüffen seine Werke in ihrer formale Anmut. Die physikalischen Phänomene basieren vor allem auf Magnetismus oder auch auf Trägheits-, Reibungs- und Gravitationseffekten, die der Künstler in Versuchsreihen selbst erforscht. Es ist ein raffiniertes Wechselspiel von Offenlegung und Geheimnis, auf denen die Wirkung dieser Maschinen im Kunstkontext basiert. 

 

Häufig vervielfältigt Pe Lang dieselbe konstruktive Ausgangslage, innerhalb der sich eine kinetische Variationsmöglichkeit an vielen Stellen gleichzeitig entfaltet. Dieses serielle Moment, verbunden mit der zum Teil hermetischen Materialikonographie der Gerätschaften, die sich mit alltäglichen Objekt-Erfahrungen nicht in Verbindung bringen lässt, verweist auf die Praxis und Theorie des Minimalismus, insbesondere auf Donald Judds Konzept der „specific objects“ und Sol Lewitts geometrische Gitterkonstruktionen. Gleichzeitig lassen vor allem die Wandarbeiten Pe Langs an Bilder des Konstruktivismus denken, wie sie von Piet Mondrian, Kasimir Malewitsch oder auch Josef Albers überliefert sind. 

 

Pe Langs Klangskulpturen und kinetische Objekte sind seit 2004 auf Ausstellungen präsent. Letztere lassen sich in zwei unterschiedliche Werkgruppen unterteilen. Dabei handelt es sich einerseits um „falling“ und „moving objects“, deren durchgängige Nummerierung sich aus der Anzahl der jeweils eingesetzten Elektromotoren ergibt. Als zweite (kleinere) Werkgruppe gibt es seit etwa drei Jahren die „postioning systems“, deren Merkmal die räumliche Durchmessung anhand eines zwei- oder dreidimensionalen Achssystems ist. „Positioning systems - falling objects“ von 2011 – eine Weiterentwicklung eines Prototypen von 2009 – besteht beispielweise aus einer elektronisch gesteuerten Pinzette, die auf einer speziellen Textur Wassertropfen in einer Größe aufbringt, in der sie durch die Oberflächenspannung des Wassers zu einer annähernd perfekten Kugel geformt werden. Die Pinzette durchwandert ein Quadrat von 20 x 20 Tropfen und kehrt nach circa 600 Minuten genau in dem Moment an den Anfang zurück, wenn das Wasser dort verdunstet ist. In einer durchaus komplexen, technisch ausgefeilten Ausgangslage zielt Pe Lang auf ein sehr einfaches, geradezu didaktisches Resultat.

 

Bei der Werkgruppe der „falling“ und „moving objects“ geht es hingegen um die Schaffung von einfachen Ausgangslagen, innerhalb denen sich möglichste komplexe Resultate vollziehen. Etwa bei „moving objects nº 485“: Eine Platte aus einem weißen plastikähnlichem Material, auf der in Vertiefungen 1836 kleine Stahlkugeln liegen, wird durch einen drehenden Unwuchtmotor derart in Schwingungen versetzt, dass sich nach einer gewissen Zeit die überwiegende Mehrzahl der Kugeln synchron bewegt, um dann wieder in die anfängliche Unordnung zurückzufallen. Dieses Interferenzphänomen tritt dann ein, wenn die Masse der im Gleichtakt schwingenden Kugeln der des Unwuchtmotors entspricht und ihre Bewegungen sich gegenseitig behindern. Man muss sich als Betrachter eine Weile einsehen in die geheimnisvolle Synchronizität der Bewegungen, die an eine Tanzformation denken lässt. Ephemere Inseln der Ordnung inmitten des scheinbaren Chaos. 

 

Die Serie „moving objects nº 68 - 427“, mit der Pe Lang 2010 den Swiss Art Award errang, basiert auf der exakt gleichen Versuchanordnung von gegeneinander drehende Elektromotoren. Die serielle Multiplikation des Ähnlichen innerhalb der Limitation einer bestimmten Ausgangslage bestimmt auch die magisch scheinenden Choreographie von kleinen Metallzylindern, die zwischen Kupferplatten auf- und abschweben bei „moving objects nº 502 – 519“. Ebenso verblüffend ist der Effekt bei „falling objects nº 562“, bei der eine Stahlkugel scheinbar schwerelos zwischen Kupferplatten herabschwebt. Dies beruht auf einer temporären Magnetisierung des Materials durch das seitliche Hochziehen der Kugel mittels eines Magneten.

 

Pe Langs Maschinen laden mit ihren langsamen, geradezu bedächtigen Bewegungen zur kontemplativen Betrachtung ein. Es gibt im Einzelfall auch hektische unvorhergesehene Momente, doch werden sie dann von dem formalen Raster der Konstruktion aufgefangen und gleichsam nivelliert. Besonders deutlich ist dies etwa bei „moving objects n° 629-823“ und der kleinern Version „moving objects n° 596-627“: Eine Vielzahl von schwarzen Plastikringen flitzen auf Silikonschläuchen hin und her. Durch Elektromotoren an den vertikalen Rahmenseiten angetrieben rotieren die weißen Silikonschläuche, und durch die Reibungsenergie werden die Ringe in Bewegung gebracht. Sobald sie jedoch auf einen Widerstand stoßen und sich dadurch ihre relative Lage auf dem sich drehenden Silikonschlauch verändert, bewegen sie sich wieder auseinander. Gleich einer absurden Notenpartitur verändert sich die Komposition ständig, doch ist das jeweilige Bewegungspotential gänzlich begrenzt im Sinne einer Entfesselung von rasanten Bewegungsimpulsen innerhalb eines starren geometrischen Rasters.

 

Andere Arbeiten dieser Serie sind noch stärker als akustisches Ereignis konzipiert. Dazu zählt das peitschende, regenartige Geräusch bei „moving objects n° 486-501“, das durch weiße Silikonschläuche erzeugt wird, die durch die gegenläufige Rotation von Elektromotoren nervös auf eine Unterlage knallen. Oder das feine Rascheln des Seidenpapiers bei „moving objects nº 564 – 595“, die 2011 in einer zweiten Version als Wandarbeit realisiert wurde.

 

Pe Lang gelangte über die experimentelle Musik und Klangkunst zur kinetischen Kunst. Diese Entwicklung erscheint dem 1974 im schweizerischen Sursee geborenen Künstler in dem Sinne ganz natürlich, als jeder Klang auf Bewegungen von Luftmolekülen beruht. Mechanische Bewegungen sind aus seinem Blickwinkel nichts anderes als stark verlangsamte Wellenfrequenzen. Diese grundsätzlich musikalisch gestimmte Haltung ist Pe Langs kinetischen Systemen anzumerken, die mit berückender Eleganz physikalische Kräfte bändigen und in Szene setzen. Es sind sowohl beseelte als auch geistreiche Konstruktionen, die das Sehen, Hören und Denken gleichermaßen herausfordern.

© Marc Wellmann, 2012